Schlafprobleme sind nicht so romantisch, wie in Filmen dargestellt. Man liegt nicht auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrt an die makellose Decke. Im Hintergrund läuft auch kein kitschiger Indie-Abklatsch. Man denkt nicht über sein Leben nach und wie geil alles ist. Richtige Schlafstörungen sind anders. Nerviger. Stressiger. Scheisse halt. Denn liegt man wach im Bett um 3 Uhr nachts, weiss man, es wird eine dieser Nächte. Und es ist klar, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Aufstehen oder liegen bleiben und grübeln. Also steht man auf, schlüpft in den Bademantel, um wenigstens etwas von der Film-Romantik beizubehalten, geht auf den Balkon und raucht. Und während man sich den Arsch abfriert (es ist übrigens egal, welche Jahreszeit, kalt ist es immer) fragt man sich, was los ist. Warum kann ich nicht schlafen? Was beschäftigt mich gerade? Warum ist es eigentlich so verdammt still? Und dunkel? Draussen. Und in mir? Man sitzt also da, an einem winzigen Holztisch, nimmt einen Zug und wünscht sich, einfach wieder ins Bett zu gehen. Und genau das tut man schliesslich. Noch vier Stunden.
Nur das Licht des Handybildschirms beleuchtet das fahle Gesicht. «Noch dieses eine Failvideo, dann versuche ich es nochmal.» Liegt das Handy auf dem Nachttisch, geht es los. Seite: unbequem. Rücken: tut weh. Bauch geht auch nicht. Also doch die Seite, und zwar in Embryohaltung. Man wartet und wartet, macht die Augen zu und fragt sich, warum der verdammte Sandmann immer nur abends kommt. Und natürlich ist die Kehle trocken vom Rauchen, ein Glas Wasser trinken geht aber auch nicht, weil man dann zur Toilette muss. Und denkt man an Toilette, kommt einem das WC-Papier in den Sinn, das noch nicht auf der Einkaufsliste steht. Also hinzufügen, in dieser einen fancy App, die man extra dafür heruntergeladen hat. So, jetzt aber weg mit dem Handy. Noch drei Stunden und fünfundvierzig Minuten.
Doch was trinken? Okay, einen Schluck. Und natürlich sind die Hände jetzt nass und nach der Nässe kommt dieses ausgetrocknete Gefühl auf der Haut. Also Handcreme. Und Lippenpflege. Die wollte man auch noch nachbestellen. Also Handy raus, Zalando auf und in den Warenkorb. Gestöbert wird natürlich auch noch, gehört ja wohl dazu. Fuck, die letzte Rechnung ist noch nicht bezahlt. Kann man gleich nachholen, Zeit ist ja da. Noch dreieinhalb Stunden.
Das Bett riecht nach ihm, obwohl sein letzter Besuch schon ein paar Tage her ist. Daran denkt man jetzt und an den Wein und an das Essen und natürlich an den Sex. Endorphine sollen ja beim Einschlafen helfen. Soll ich? Scheisse, warum nicht? Und während man so da liegt, das Gefühl aber fehlt, denkt man daran, dass das doch eine tolle Filmsequenz wäre. Würde man denn gut aussehen. Und billigen Indie-Abklatsch hören. Noch drei Stunden.
So, jetzt also doch zur Toilette. Aber leise, denn die Mitbewohnerin schläft. Die Bitch hat es gut. Zurück im Bett ist es plötzlich kalt. Die Heizung funktioniert, doch das interessiert den Körper nicht. Er ist es nicht, der friert. Und weil das Handy noch in der Hand liegt, öffnet man den Posteingang. Nur Spam, wie gewohnt. Die Freunde, die geblieben sind, schlafen alle. Ist ja mitten in der Nacht. Haha. Die Inbox für berufliche Mails blinkt. Und blinkt. Und weil das schwarze Loch Posteingang jetzt sowieso offen ist, kann man gleich mal reinschauen. Fuck, eigentlich war das nicht der Plan. Weder das mit dem Posteingang noch das mit dem drei Uhr nachts. Nie wieder.
Noch zweieinhalb Stunden.
Und weil es nur noch zweieinhalb Stunden sind, ist jedes Schlafmittel tabu. Klar ist da das gehortete Quetiapin. Für schlechte Zeiten. Und vermutlich auch für alle Zeiten. Doch einmal eingeworfen macht es so müde, dass es verdammt einfach ist, den Wecker zu überhören. Und leisten kann man sich das nicht. Also Twitter. Leider sind andere klüger und schlafen um diese Zeit, sämtliche Threads sind schon gelesen. Okay, okay. Handy weg, auf den Rücken drehen, Scheiss auf den Schmerz, auf den sämtlichen. Augen zu, schlafen. Noch zwei Stunden.
Da ist er, der Wunsch, es möge endlich, endlich Morgen werden. Spät genug, um aufzustehen. Spät genug, um Kaffee zu trinken, zu rauchen und so zu tun, als hätte es diese Nacht nie gegeben. Sich auf den Abend freuen, weil man weiss, dass man um 21 Uhr todmüde aber (hoffentlich) glücklich ins Bett fällt. Bitte, lass es endlich Morgen werden. Bitte. Noch eine Stunde, eigentlich.
6 Uhr, das war’s. Eine Stunde fertig machen, ins Büro fahren, arbeiten. Endlich.
Schlafprobleme sind nicht so romantisch, wie in Filmen dargestellt. Man liegt nicht auf dem schmerzenden Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrt an die hässliche, weil viel zu weisse Decke. Im Hintergrund läuft auch kein beschissener Indie-Abklatsch. Man denkt nicht über sein trauriges Leben nach und fragt sich, warum man sich das alles noch antut. Richtige Schlafstörungen sind anders. Nerviger. Stressiger. Scheisse halt. Denn liegt man wach im Bett um 3 Uhr nachts, weiss man, es wird eine dieser Nächte. Und es ist klar, dass diese Nächte wiederkommen.