Kein Kommentar

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Triggerwarnung In diesem Beitrag geht es um Gewicht und Körperwahrnehmung. Falls du dich mit dem Thema unwohl fühlst, lies dir den Text nicht durch. Unterstützungsangebote findest du hier.

2016: 54 Kg. Drei Mahlzeiten täglich. Aufstehen um 5, frühstücken, aufräumen, stylen. Arbeiten, es lieben, Essen in der Mikrowelle aufwärmen. Mit Kolleg:innen tratschen, lachen. Vielleicht streiten, joggen, duschen, lesen. Einkaufen bei Zalando, C&A und Bershka. Mit Stoff verstecken, was provozieren könnte («Nein, die nicht, die ist zu kurz»). Schwitzen.

2018: 47 Kg. Eine Mahlzeit täglich. Vielleicht. Aufstehen um 6, anziehen. Arbeiten, es lieben und hassen. Lächeln. Weinen in der Mittagspause, aus dem Fenster schauen («Wäre es hier hoch genug?») Leere Seiten und ein voller Kopf. Regen auf der Windschutzscheibe, zitternde Hände auf dem Lenkrad. Kühlschrank auf, Kühlschrank zu, doch kein Hunger. Einkaufen bei Tally Weijl, Chicorée, H&M. Alles zu gross. Frieren. Bei 25 °C.

«Now I can finally be myself. ‘Cause I don’t wanna be myself

Ja, ich habe mich verändert in den letzten paar Jahren. Nicht nur meine Seele war depressiv, auch mein Körper litt. Als ich in die Psychiatrie kam, wog ich acht Kilogramm weniger als jetzt. Und ich vermisse das. Dieses «Zerbrechliche» und das Einkaufen in Läden aus meiner Teeniezeit.

Pervers, ich weiss. Denn das alles hatte ich ja nur der Krankheit zu verdanken. Ich ass nur jeden zweiten, dritten Tag. Nicht, weil ich dünn sein wollte, sondern weil ich keinen Hunger hatte. In Cafés packte ich diese bunten Zuckertütchen ein, für den Fall, dass mein Blutzucker wieder absacken würde. In jeder Tasche, die ich länger nicht benutzt habe, liegen sie unaufgeregt neben Lippenstift und Kleingeld herum und erinnern mich daran, wie verdreht meine Denke ist.

Ich hasse mich dafür, wie ich mit mir selbst umgehe und für mein «Mimimi», das Jammern auf hohem Niveau, hasse ich mich erst recht. Mein Körper lässt mich laufen und rennen, wenn es denn sein muss, hält mich warm und sorgt dafür, dass ich nicht auseinanderfalle. Er erträgt literweise Kaffee, ungesundes Essen und Zigaretten, ohne sich zu beschweren (zumindest bis jetzt). Und ich begegne ihm mit Ablehnung und, so weh es auch tut, an schlechten Tagen mit Ekel.

Mein BMI sagt, ich habe jetzt die optimale Figur. Die Menschen in meinem Umfeld auch. Mein Kopf nicht. Der will herausstehende Rippen, schlotternde Ärmel und Hüftknochen, die sich abzeichnen. Warum weiss ich nicht. Okay, eigentlich doch. Mir wurde beigebracht, es sei wichtig, wie der eigene Körper für andere aussieht (Mantra: «Kein Mann will eine dicke Frau»). Dass absolut alle das Recht haben, mich zu beurteilen und ich das einfach akzeptieren muss. Fett, knochig, picklig, kurvig, knackig, geil.

Aber mich stört das. Es hat ewig gedauert, das zu merken. Und zu lernen, dass ich das kritisieren darf, auch. Es ist nicht okay, wenn Menschen meinen Körper ungefragt bewerten, auch wenn es gesellschaftlich akzeptiert ist. Ob jemand nun was Positives oder Negatives sagt, ist eigentlich egal «dein Arsch ist schon recht gross geworden» ist genauso schlimm wie «wow, bist du dünn geworden». Beides sind Bewertungen, um die ich nicht gebeten habe.

Ich will nicht, dass mir irgendwelche Leute ihr Urteil vor die Füsse rotzen. Deshalb habe ich begonnen, Dinge zu sagen wie: «Ich möchte bitte nicht von dir bewertet werden». Zugegeben, oft hat es der Satz noch nicht vom Kopf bis zu meinem Mund geschafft, aber ich übe. Und wenn ich so weitermache, gelingt es mir vielleicht irgendwann, meinen Bauch zu streicheln, anstatt meine Rippen zu ertasten. Oder die Pölsterchen an meinem Rücken als das anzunehmen, was sie eben sind: Teile meines Körpers. Nicht gut, nicht schlecht, einfach da.

Und für alle «Nicht-mal-Komplimente-darf-man-mehr-machen!»-Schreier:innen: Doch, dürft ihr. Nur entscheide ich eben selbst, ob ich sie als solche sehe oder nicht.